Wie geht man mit Menschen um, die an Altersdepression leiden? Durch welches Verhalten hilft man ihnen oder verhindert zumindest, dass man negativ auf sie einwirkt? In diesem Beitrag geben wir Tipps zum Verhalten gegenüber Menschen mit Altersdepression.
Altersdepressionen zählen neben demenziellen Erkrankungen zu den häufigsten psychischen Krankheiten, die Menschen im hohen Lebensalter bekommen. Ca. 15,5 % aller Menschen über 80 leiden darunter. 22,4% der Menschen im höheren Lebensalter erleben Dysphorien und depressive Episoden.
Die Dunkelziffern dürften weit höher liegen. Denn Altersdepressionen werden nur schwer erkannt. Ist man sich im Klaren darüber, dass Angehörige an Altersdepressionen leiden, stellt sich die Frage, wie man mit dieser Krankheit umgeht.
Verständnis haben
Der erste Schritt zum richtigen Umgang mit Altersdepression ist Verständnis. Was sich so einfach anhört, ist tatsächlich gar nicht so leicht.
- Ein depressiver Mensch „übertreibt“ nicht, er erlebt seinen Körper und seine Umwelt jedoch gesteigert
- Niemand ist „schuld“ an der Krankheit, niemandem sollte also die Schuld gegeben werden
- Ein depressiver Mensch gibt sich selbst die Schuld an seinen Depressionen und an etwaigem Versagen
Gerade in anstrengenden oder stressigen Situationen ist es schwer, sich diese Punkte vor Augen zu führen. Für einen möglichst schonenden Umgang mit betroffenen Menschen sind sie allerdings unerlässlich.
Denn nur mit diesem Grundverständnis bringt man die Ruhe und die Fürsorge auf, sich auch so mit dem betreffenden Menschen auseinander zu setzen, dass dieser nicht zusätzlich leidet.
Schuldgefühle vermeiden
Ein Mensch mit Depressionen gibt sich selbst die Schuld an seinem Gemütszustand. Je größer die Schuld für ihn ist, desto niedergeschlagener ist er. Es gilt also in jedem Fall, Schuldgefühle zu vermeiden. Auch dies sagt sich erst einmal leicht. Doch depressive Menschen tendieren dazu, neutrale Argumente gegen sich selbst zu verwenden, weshalb auch ein gut gemeinter Rat bzw. allgemeine Aussagen oft verfänglich werden können.
Beispiel:
„Erfreu dich doch einfach mal an den schönen Seiten des Lebens.“
Ein Mensch mit Altersdepression kann daraufhin vermehrt Schuldgefühle entwickeln, weil er es ist, dem diese Fähigkeit zu fehlen scheint.
„Viele Menschen mit Depression haben diese aufgrund von körperlichen Gebrechen.“
Auch diese Aussage kann zu einer Schuldzuweisung interpretiert werden: Körperliche Gebrechen könnten Folge eines früheren Lebenswandels bzw. von unterlassenem Training etc. sein.
Deshalb sollte man auch davon absehen, den betroffenen Menschen davon überzeugen zu wollen, dass er nicht schuld sei bzw. die Depression bagatellisieren zu wollen.
Beispiel:
„Du bist gerade einfach nur schlecht drauf, nimm’s nicht so schwer!“
Eine solche Bagatellisierung bewirkt, dass sich der betroffene Mensch nicht ernst genommen fühlt bzw. dass er sich weiter Schuldgefühle macht: Das, was für andere anscheinend so leicht zu vertragen ist, ist für ihn momentan unüberwindlich.
Auch in der Anteilnahme kann eine unausgesprochene Anklage liegen: Erzählt man dem Menschen, dass seine Angehörigen sich um ihn sorgen bzw. dass er sie belastet, kann das dazu führen, dass er denkt, nicht nur sein eigener emotionaler Ballast zu sein, sondern auch noch der der Angehörigen. Und dies würde die Depression ebenfalls vertiefen.
Genauso verhält es sich mit aufopferndem Verhalten der Angehörigen, einer übertriebenen Fürsorge. Auch Menschen ohne Depression kann dieses Verhalten Schuldgefühle bereiten, Menschen mit Depression allerdings umso mehr. Außerdem steigert es die Abhängigkeit von den Angehörigen, was weitere Gefühle der Nutzlosigkeit und Unmündigkeit auslösen kann.
Zur weiteren Auseinandersetzung mit dem Thema empfehlen wir Manfred Bieschke-Behms Erfahrungsbericht „Depressionen. Wer A sagt wie Angehöriger meint auch B wie Betroffener“.
Die Stimmung nicht künstlich aufheitern
Kleine Witze, die die Atmosphäre ein wenig aufwärmen sollen, Späßchen am Rande sind zu vermeiden: Jeder Witz, über den ein depressiver Mensch nicht lachen kann, trägt mehr zu seiner niedergeschlagenen Stimmung bei. Das heißt nicht, dass man neben einem Betroffenen nur Trauerstimmung haben müsse – natürlich darf und soll man auch neben Depressiven gut gelaunt sein. Aber eben natürlich und nicht plakativ.
Nun haben wir einen ordentlichen Regelkatalog darüber zusammengestellt, was man alles nicht tun sollte.
Was ist denn aber hilfreich im Umgang mit einem depressiven Menschen?
Unterstützung und Beistand
Jeder Mensch braucht es, von seinen Angehörigen ernst genommen zu werden. Das gilt insbesondere für Menschen mit Depression. Zeigen Sie Verständnis für die Situation des betreffenden Menschen und erkennen Sie seine Krankheit an – ohne sie aufzubauschen.
Dabei kann auch signalisiert werden, dass es sich um eine Krankheit handelt, die durch Behandlung auch wieder gelindert werden kann.
„Halten Sie mit Ihrem depressiven Angehörigen aus“, könnte man den Beistand formulieren, der angebracht ist. Gehen Sie zur Hand, zeigen Sie sich offen für Problematiken, geduldig und hilfsbereit.
Aber nehmen sie dem Erkrankten auch nicht alle Tätigkeiten ab, die er nicht auch allein tun könnte, sonst kann Abhängigkeit entstehen.
Stehen Sie seine Erkrankung mit ihm gemeinsam durch.
Wenn sich der Mensch mit Depression zu einer Therapie bzw. zu einer medikamentösen Behandlung entschließt, können Sie ihn bei der zeitlichen Einnahme der Medikamente unterstützen, ihn zu Arztgesprächen begleiten oder Termine für ihn vereinbaren, falls er dies wünscht.
Bevormundung gilt es dabei jedoch auf jeden Fall zu vermeiden.
Altersdepressionen erkennen und richtig deuten
Wann weiß man überhaupt, dass ein Mensch an einer Altersdepression leidet?
Die Schwierigkeit, eine Altersdepression zu erkennen, liegt darin, dass viele Symptome mit dem Älterwerden und/oder gesundheitlichen Beschwerden identifiziert werden. Auch mit einer Demenz werden die Symptome oft verwechselt.
Dabei bedingen körperliche Beschwerden bzw. eine Demenz die Altersdepressionen auch oft.
Um den betroffenen Menschen behandeln zu können, muss man ihn aber erst einmal richtig diagnostizieren.
Diese Diagnose muss natürlich immer von fachkundigen ÄrztInnen vorgenommen werden.
Dennoch ist es auch für Angehörige gut, sich ein Bild über die Symptomatik zu machen.
Die Symptome für Depressionen im Alter sind, wie bei jüngeren Menschen auch:
- Antriebslosigkeit, Müdigkeit
- Teilnahmslosigkeit
- Niedergeschlagenheit
- Konzentrationsprobleme
- Innere Unruhe
- Sprech- und Denkblockierung
- Rückzug aus dem sozialen Umfeld
- Suizidgedanken
- Körperliche Beschwerden wie Kopfschmerzen, Gelenkschmerzen, Atemrpobleme etc.
- Gestörter Schlafrhythmus
- Appetitlosigkeit
Depression und Demenz – wo sind die Unterschiede?
Die Symptome einer Demenz sind weitgehend die gleichen wie die einer Altersdepression.
Allerdings gibt es auch manche Unterschiede:
- Während Altersdepressionen meist eher rasch auftreten, verläuft eine Demenz in der Regel langsamer
- Depressive Menschen erfahren eine konstante Veränderung ihrer Stimmung und kognitive Einbußen, wobei Menschen mit Demenz stärkere Stimmungsschwankungen zeigen, die auch leichter beeinflussbar sind
- Depressive Menschen suchen die Ursache ihrer Beschwerden bei sich selbst und haben Minderwertigkeits- und Schuldgefühle, Menschen mit Demenz verleugnen sie bzw. suchen die Ursachen ihrer Erkrankung meist bei anderen
- Während Menschen mit Demenz zum Teil eher forderndes Verhalten zeigen, ist das Verhalten depressiver Menschen zumeist passiv
- Die Behandlung durch Antidepressiva lindert die Symptome der Altersdepression deutlich
Abgesehen davon sind depressive Menschen im Vergleich zu Menschen mit Demenz eher nicht desorientiert: Sie sind sich über das Datum, den Wochentag sowie ihren Aufenthaltsort im Klaren.
Depression und körperliche Beschwerden
Da viele körperliche Beschwerden einen psychosomatischen Ursprung haben können, ist es hier noch schwerer, zwischen einer Depression und diesen Beschwerden zu unterscheiden.
Sowohl allgemeine Schmerzen als auch Magen-Darm-Probleme, Schwindel und Schlafstörungen können aus einer körperlichen Krankheit heraus entstehen oder sich auch aus den Depressionen begründen.
Hier empfiehlt es sich, auf das sonstige Verhalten und den Gemütszustand des betreffenden Menschen zu achten. Liegen neben den körperlichen Beschwerden auch die oben genannten Symptome vor?
Wie wird über die Beschwerden gesprochen? Entsteht der Eindruck, dass die betreffende Person sich extrem in ihren Zustand hineinsteigert?
Fällt Ihnen an sich bzw. an Ihrem Angehörigen ein derartiges Verhalten auf, empfiehlt es sich dringend, ärztlichen bzw. psychotherapeutischen Rat einzuholen.
Kann man Altersdepressionen vorbeugen?
Selbstverständlich gibt es keine eindeutige Handlungsempfehlung, mit der man es schafft, Depressionen im Alter auf jeden Fall zu vermeiden.
Dennoch kann man, gerade mit Blick auf die Ursachen der Altersdepression, einige vorbeugende Maßnahmen treffen, die die Wahrscheinlichkeit einer Depression im Alter mindern.
Im Alter ändert sich das Leben beträchtlich. Viele dieser subjektiv als gravierend erlebten Änderungen können Auslöser für Depressionen sein:
- Wegfallen der Tagesstruktur durch den Eintritt in die Rente
- Ängste vor Verarmung, Pflege, Erhalt der Gesundheit etc.
- Einsamkeit durch das Sterben von Freunden und Lebenspartnern
- Zunehmende körperliche Beschwerden
- Normale altersbedingte Leistungsverminderung
- Gefühl, nicht mehr wichtig bzw. nutzlos zu sein/ nicht mehr gebraucht zu werden
- …
Diesen Faktoren kann man natürlich nicht komplett aus dem Weg gehen. Allerdings kann man auf manche in gewissem Maße einwirken.
- Erhalten Sie sich Hobbies bzw. legen Sie sich welche zu: Das hält aktiv, schafft mitunter soziale Kontakte und hält davon ab, zu sehr ins Grübeln zu geraten. Ehrenamtliche Tätigkeiten helfen auch in dieser Hinsicht
- Halten Sie sich körperlich fit durch Sport und ausgewogene Ernährung: Ein gesunder Körper ist weniger anfällig für Beschwerden
- Erhalten Sie Freundschaften bzw. nehmen Sie Teil an Gruppenaktivitäten: Dadurch können Sie eventueller Vereinsamung vorbeugen
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Bei der Altersdepression ist es wie mit vielen anderen Erkrankungen: Je früher sie erkannt wird, je früher man dagegen vorgeht, desto kürzer wird in der Regel ihr Verlauf sein.
Die Behandlung von Depressionen älterer Menschen unterscheidet sich prinzipiell nicht von der jüngerer Menschen. Man unterscheidet dabei zwischen einer medikamentösen Behandlung und psychotherapeutischen Verfahren.
Behandlung mit Medikamenten
Eine medikamentöse Behandlung empfiehlt sich vor allem dann, wenn ein hormonelles Ungleichgewicht die Ursache der Depression ist. Bei der Medikamentierung muss der behandelnde Arzt vor allem darauf achten, dass die Antidepressiva nicht mit anderen Medikamenten in Konflikt geraten, die der Patient bereits aus anderen Gründen einnimmt.
Psychotherapeutische Behandlung
Bei der Psychotherapie gehen die Therapeuten zumeist konkret auf psychische Probleme ein, die die Depression ausgelöst haben können. Diese Probleme sind sehr individuell, sie betreffen jedoch zumeist die bereits genannten Ängste vor Einsamkeit, Pflegebedürftigkeit, vor Behinderung und vor dem Alterungsprozess im Allgemeinen.
Die psychotherapeutische Behandlung ist nicht nur sehr effektiv; man umgeht mit ihr auch die Gefahr, unerwünschte Nebenwirkungen durch die Komplikation mit anderen Medikamenten auszulösen.
Altersdepressionen und Alkohol
Alkoholgenuss und Depressionen hängen in vielen Fällen zusammen. Oft ist das ein Teufelskreis: Alkohol wird getrunken, um den Symptomen der Depression zu entgehen. Dabei ist das nur eine scheinbare Linderung. Die Depression bleibt bestehen, die Menge an Alkohol, die man zur Linderung benötigt, steigt jedoch.
Beides bedingt sich übrigens gegenseitig: Nicht nur kann Alkoholmissbrauch Folge einer Depression sein, übermäßiger Alkoholgenuss kann auch eine Depression auslösen. Das liegt nicht nur an eventuellen sozialen Konsequenzen des Alkoholkonsums, sondern auch an einer strukturellen Veränderung des Gehirns bei längerem Konsum, was Depressionen verursachen kann.
Menschen, die an Depressionen leiden, sollten vollständig auf Alkohol verzichten.
Depressionen bei Männern & Frauen – gibt es da Unterschiede?
Es gibt tatsächlich Unterschiede zwischen Männern und Frauen hinsichtlich Depressionen.
Männer, vor allem ältere Männer, haben ein etwa dreimal höheres Suizidrisiko als Frauen.
Gleichzeitig suchen sie deutlich weniger nach Hilfe, weil sie weniger psychische Erkrankungen als berufliche Gründe o.ä. in Betracht ziehen.
Was die Symptomatik angeht, so bestehen auch hier Unterschiede:
Bei Männern sind typische Merkmale etwa
- Reizbarkeit
- Gewaltbereitschaft
- Verärgerung
- Unzufriedenheit mit sich und anderen
Bei Frauen sind es eher folgende Merkmale
- Antriebslosigkeit
- Stimmungsschwankungen
- Geringes Selbstwertgefühl
- Reizbarkeit
Wo findet man Hilfe?
Medikamente können vom behandelnden Hausarzt verschrieben werden. Für psychotherapeutische Sitzungen gibt es mehrere Anlaufstellen:
Beispielsweise findet man beim Bundesministerium für Gesundheit Servicestellen, die einem schnell einen Termin vermitteln können:
Auch der Psychotherapie-Informationsdienst unterstützt Sie bei der Suche nach einem Psychotherapeuten.
Tel.: 030 / 209 16 63 30
https://www.psychotherapiesuche.de